Plattenstrasse 27 – Zürich
1966–1968

Jonas C. Haefeli erinnert sich

Als ich für unsere Band einen Übungsraum suchte, bin ich auf den schon lange leerstehenden, grossen Hausteil an der Plattenstrasse 27 aufmerksam geworden, welcher an meinem Schulweg lag. Bei einer Besichtigung lernte ich dann Herbert «Herbie» Wertli kennen. Er suchte Räume für einen Club.

Spontan entschieden wir uns zusammen einen Verein zu gründen. Mein Freund Edi «Zulu» Stöckli erbot sich die Vereinsstatuten aufzusetzen und sich um das Administrative zu kümmern - er besuchte damals die Handelsschule. Im Herbst 1965 kam es zur Vereinsgründung «Platte 27». Herbert Wertli war «Präsident», Edi Stöckli und ich «Vize».

Sodann begannen wir das alte Haus umzubauen, es wurden ganze Wände herausgerissen und eine Treppe zum ersten Stock (Galerie-Raum) eingebaut. Finanziert von Sponsoren, welche Herbi überzeugen konnte, uns zu unterstützen. Und wir Vereinsmitglieder (anfänglich etwa 30) haben auch die Ärmel hochgekrempel und «Fronarbeit» geleistet. Treibende Kraft war immer wieder «Herbie» mit seinem ungestümen Tatendrang und Optimismus.

Eröffnet wurde der Club im Frühjahr 66 mit verschiedenen Aktivitäten und einem grossen Fest. Während «Zulu» unser «Wirschaftsminister» war – er kümmerte sich um das Finanzielle und Administrative und verhandelte mit den Behörden und immer wieder mit verschiedenen Polizeistellen – war ich quasi der «Kulturminister», da ich mich schon damals in verschiedenen Musiker-, Maler- und Filmerkreisen bewegte. 

Urs Rohr, den ich bereits vom «Africana» kannte, übernahm anfänglich die Organisation der Jazz-Konzerte, während der Filmer Köbi Siber die Film-Abende leitete.

Wer die Lesungen und klassischen Konzerte organisierte, die jeweils in den Galerie-Räumen stattfanden, weiss ich nicht mehr. Im Sommer 66 eröffneten wir dann die Galerie, welche ich leitete. Selbst das Schweizer Fernsehen berichtete über dieses «Ereignis». Es folgten verschiedene Ausstellungen, zum Beispiel die vielbeachtete Ausstellung von Franz Anatol Wyss oder die Ausstellung von Kurt Fahrner, über die das Schweizer Fernsehen ebenfalls einen Bericht ausstrahlte. 

Wir vermieteten auch Räumlichkeiten und Ateliers an Studentengruppen und Künstler, wie z.B. an den damals noch unbekannten David Weiss (Fischli/Weiss). Ende 1967 hatte der Club ca. 150 Aktivmitglieder und etwa 2000 Passivmitglieder.

Auf Geheiss der Wirtschaftspolizei durften eigentlich nur Vereinsmitglieder oder Gäste in Begleitung eines Mitgliedes in den Club. Dieses Problem lösten wir damals, indem wir eine Proforma-24-Stunden-Mitgliedschaft einführten und damit den Behörden ein «Schnippchen schlagen» konnten. Ende 1967 wurde das Haus an die Stadt Zürich verkauft. Trotz gegenteiligenr Zusicherungen hat uns die Stadt dann überraschend gekündigt. In der Folge bin ich aus dem Verein ausgetreten, mit mir auch viele andere Gründungsmitglieder. Nur Herbie leitete noch auf Zusehen hin (und auch «Zulu»?) den Club weiter, allerdings fanden kaum noch kulturelle Veranstaltungen statt, und das Haus wurde zunehmend von «Chaoten» und Alternativen übernommen. Damals wurden Drogen zu einem immer grösseren Problem. Wann genau der Club definitiv geschlossen wurde, weiss ich nicht mehr, irgendwann 1968. Die Stadt liess dann das Haus abbrechen und einen Parkplatz erstellen, der noch heute vor sich hin ödet. Fazit: Die Platte war zu ihrer «Blütezeit» ein einmaliger Treffpunkt für junge, angehende Kulturschaffende aus allen Bereichen, wie Film und Theater, Literatur, Fotografie, Musik und Malerei. Die Gästeliste liest sich heute wie ein «Who is Who» der Zürcher Kulturszene. Viele der damaligen Stammgäste sind heute renommierte, z.T. weltbekannte Künstler. Ich denke gerne an diese, für mich enorm aufregende, spannende und intensive Zeit zurück.

Herbert Wertli und Edi Stöckli eröffneten später wieder einen Club mit dem Namen «Platte 27» am Limmatquai, dieser hatte jedoch mit der «original Platte 27» nicht mehr viel zu tun, sondern war in erster Linie eine kommerzielle Disco, mit nur vereinzelten Veranstaltungen, z.B. eine Ausstellung mit Bildern von H.R. Giger und vor allem Happenings, wie sie damals Mode waren.

© Jonas C.Haefeli / Okt. 2013

Beat Kennel erinnert sich

Ganz genau weiss ich nicht mehr, wann ich das erste Mal in die Platte 27 ging.

Herbie Wertli war sicher der erste, denn ich wahrgenommen hatte und dann folgte kurz darauf Jonas C. Haefeli, der oben in der Galerie präsent war. Ausser Jazzkonzerten besuchte ich nur einmal die Disco. Den Dritten im Bunde, Eduard «Zulu» Stöckli, lernte ich erst später über den Grafiker Gigi Erhardt kennen, der im unteren, grossen Raum, ein Wandbild in der Art von Roy Lichtenstein gemalt hatte. Um diese Zeit wurden Jonas und ich Freunde. Wir machten zusammen mit Marcel Bernasconi (p),Hans Hartmann (b) einen übermütigen Kollegen-Trip quer durch Europa, der über Stuttgart Richtung Amsterdam, Hamburg, Kopenhagen und zurück via Berlin führte. Kopenhagen hatte ich sofort ins Herz geschlossen. Kurz nach meinen drei Gigs in der Platte 27, ging ich für 16 Monate nach Kopenhagen. Über Bernasconi hatte ich in Kopenhagen davon gehört, dass die Platte 27 abgerissen sei.

Die zweite Platte 27, unten im Hinterhof von Musik Hug am Limmatquai, hatte ich nach meiner Rückkehr ein paar mal besucht. Ich habe den Ort nur als Discobesucher erlebt. Geeignet für den Aufriss. Der alte «Platte 27-Spirit» war leider weg. Schade!