1967 reiste ich mit Pianist Marcel Bernasconi, Bassist Hans Hartmann, Jonas C.Haefeli (Gründer Platte 27) quer durch Europa. Über Stuttgart gings nach Amsterdam, Hamburg, Kopenhagen und zurück dann über Berlin nach Zürich. Hans Hartmann blieb in Berlin und stiess später zu Mani Neumeier’s Indie-Rockgruppe «Guru Guru». Kopenhagen hatte ich sofort ins Herz geschlossen und es war klar für mich, dass ich in diese offene Stadt zurückkommen würde.

In unserer Familie wurde erwartet, dass meine Brüder und ich nach der Berufsausbildung das Haus schnell verlassen. Ich war regelrecht froh, ins Ausland nach Kopenhagen zu reisen, um allen in der Familie beweisen zu können, dass ich das alleine schaffe. Meine beiden Brüder Maurice (*1939) und Raymund (1944-2020)  hatten es ja auch schon hinter sich gebracht. 

In KBH angekommen fand ich relativ schnell einen Job als Grafiker und Illustrator in der damals grössten Werbeagentur «Gutenberghus» und wurde  in der neu kreierten Abteilung «Creative Island» eingesetzt.  Was für ein easy Traumjob!

Dann suchte ich schnell Kontakt zu jungen Musikern, um nebenberuflich Drums zu spielen. In den ersten Wochen besuchte ich den «Studentenklubben», wo es Jazzkonzerte gab. Auf die Frage, warum die Band an diesem Abend nicht spielt, sagten sie, der Drummer sei nicht aufgetaucht. Ich sprach mit den Musikern und sie luden mich spontan ein doch einzuspringen. Während wir spielten, kam im zweiten Set unangemeldet Don Cherry auf die Bühne und wir spielten mit ihm «Oleo». Don wohnte mit seiner Familie (mit der kleinen Tochter Neneh Cherry) in Malmö (S) und er kam mit dem Schnellboot öfters in die Stadt. 

Die Band  behielt mich als Schlagzeuger. Der junge Bassist Mads Vinding wurde später im Montmartre der Hausbassist. Er war da als Nachfolger von N.H.Ø.P eingestiegen, der später mit Oscar Peterson ständig auf World-Tour war. Mads und Torben Kær spielten später im Jazzklub Montmartre mit fast allen US-Musikern.

Knut-Bjørn Jensen Quintet, Kopenhagen

Knut-Bjørn Jensen (ts)
Lars Togeby (tr)
Torben Kjaer (p)
Mads Vinnding (b)
Beat Kennel (dr)

Für das Abendprogramm im «Jazzhus Montmartre» waren wir noch zu jung und zu unerfahren. Wir spielten in Aulen, Schulen und auch einmal auf dem Festland in Ârhus-Jylland.

Zudem spielte ich noch im Trio vom Pianisten Torben Hertz mit Mads Vinding. Nachdem der US-Drummer Albert «Tootie» Heath auf einer Tonband-Kassette unser 'Marcel Bernasconi Quintet' mit Fredy Meier gehört hatte, bot er mir spontan Schlagzeug-Unterricht an. Er stellte jeweils auf der Montmartre-Bühne über Mittag zwei kleine Drumsets auf. 

Mein Stammlokal in Kopenhagen war also das erste «Jazzhus Montmartre» an der St. Regnegade. Dort spielten regelmässig grosse Namen aus Übersee mit lokalen und anderen europäischen Musikern. Das alte «Montmartre» war weltweit bekannt und fast alle namhaften US-Musiker waren da aufgetreten. Viele haben sich für längere Zeit in Dänemark niedergelassen. Dexter Gordon, Ben Webster, Kenny Drew, Albert «Tootie» Heath, Richard Boone, Oscar Pettiford, That Jones usw… 

Sogar Ella Fitzgerald hatte eine Wohnung im noblen Aussenquartier «Hellerup». Musikerkollegen zeigten mir ihren Eintrag im Telefonbuch. Da stand: «Frøkken (Fräulein) Fitzgerald, Standvejen». Im weiteren erzählten sie mir, sie habe in Malmø einen Liebhaber.

Dexter bekam anfangs 60er Probleme mit der Drogenpolizei und die wollten ihn ausschaffen. Die Zeitschrift «Politiken» lancierte eine Demo auf dem Rathausplatz und die Demonstranten trugen Tafeln wie «We want Dexter!».

Nach einem Medienrummel bekam Dexter die Aufenthalts-Bewilligung und wurde später eingebürgert. Danach stellte sich Dexter auf der Bühne immer als «Dexter Gordensen» vor und lernte dänisch.

Die Radiobigband und das dänische Fernsehen Kopenhagen waren sehr wichtige Institutionen für die Musiker. Hier spielten praktisch alle guten, dänischen Jazzmusiker und kamen so in musikalischen Kontakt mit allen Jazzgrössen die damals in der Stadt weilten.

Von den «Africana-Musikern» blieben einige in Kopenhagen: Makaya  Ntshoko, der bei Dexter eingestiegen war. Dann Dollar Brand und seine Frau Bea Benjamin. Bassist Johnny Dyani von den «Blue Notes» hatte sich für längere Zeit in Dänemark niedergelassen.

Das Kulturhaus «Huset» ab 1970 in Kopenhagen

Die Studenten bekamen 1970 nahe dem Rathausplatz ein leerstehendes Lagerhaus mitten in der Stadt, und verschiedene Gruppierungen bekamen dort ein eigenes Stockwerk zugeteilt. Im Parterre der alte Jazz, und in den folgenden Stockwerken Folk, Rock und ganz oben in der Bibliothek/Kantine war die Jazz-Avantgarde. Hier besuchte ich mit Anne ein Konzert mit unseren Freunden John Tchicai und Christian Kyhl.

Freistadt Christiania ab 1971 https://de.wikipedia.org/wiki/Freistadt_Christiania

Die zuständigen Behörden waren in Sachen Lokalitäten für die Jugend viel weiter und schneller als wir in Zürich. Ab 1970 reisten Anne und ich jedes Jahr nach Kopenhagen. Wir besuchten natürlich auch das 1971 frisch eröffnete «Christiania». Was für ein Erlebnis und Inspiration! Hier kam bei uns die Idee auf, in Zürich nicht nach einer ebenerdigen Beiz mit Säli  zu suchen, wie bisher, sondern ein ganzes Haus… 1972 stellten wir Bazillen der Presse das Projekt «Ein Bazillus für Zürich» vor.

Die Bazillus-Idee entsteht

Ich schrieb Marcel und schwärmte also von Kopenhagen und dessen Musik-Kulturleben. Dann fragte ich ihn, ob er mit mir in Zürich einen Jazzklub eröffnen möchte.

Ich schlug ihm den Namen «Bazillus» vor und machte einen Layout für das erste Poster. Spätestens bei der Platte 27 waren wir alle sicher, dass die Zürcher Behörden hinter dem Abbruch steckten. Deshalb diese Headline. Ich dachte, dass in Zürich die Baupolizei nicht die schlimmste Behörde war, sondern eher die Wirtschafts- und Gesundheits-Polizei. Später hat sich herausgestellt, dass alle Behörden Probleme verursachen können, wenn man als junger Mensch etwas etwas Reales realisieren möchte.

Siehe Geschichten > Bazillus Workshop I

Marcel war einverstanden und begann ein Paar Beizen zu checken, die sich eigenen könnten. 

Bis zu meiner Rückkehr nach Zürich, hatte er nichts finden können.

Strassennamen von bekannten US-Jazzmusikern in Kopenhagen

Als Wertschätzung für all die grossartigen US-Musiker, die in der Stadt Kopenhagen waren, wurden bei der Überbauung «Sluseholmen» einige Strassen nach ihnen benannt:

Dexter Gordons Vej
Ben Websters Vej
Thad Jones Vej
Ernie Wilkins Vej
Richard Boones Vej
Kenny Drews Vej 
Oscar Pettiford Vej
Etta Camerons Vej

Der ehemalige Ellington-Bassist Jimmy Woode wohnte über lange Zeit an unserer Froschaugasse in Zürich und brachte echten «Jazz-Spirit» in unsere Stadt. Stellt Euch mal vor: Froschaugasse umbenannt in «Jimmy Woode-Gasse»!

Screenshot Jimmy Woode -Duke Ellington live in Zürich 1959